„Die Masse könnt ihr nur durch Masse zwingen“ –
zur Akzentuierung des verabschiedeten Kulturentwicklungsplans
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Geschichte der Kulturentwicklungspläne könnte man in zwei Phasen einteilen: Ursprünglich, in den Zeiten stetigen Wirtschaftswachstums und neuer Haushaltsmöglichkeiten in westdeutschen Städten, wurden Pläne für die Entwicklung geschrieben, die auf die Ausweitung der Kulturförderung ausgerichtet waren. Später wurden Kulturentwicklungspläne nicht selten zur Vorbereitung und Legitimierung von Kürzungen und Streichungen geschrieben; mit Argusaugen zählte jede Einrichtung die Zeilen, die ihr im Kulturentwicklungsplan gewidmet waren. Heute richtet sich unser kritischer Blick nicht auf die Quantität der Präsenz einzelner Einrichtungen, sondern auf die Akzentuierung. …

Der aktuelle Kulturenwicklungsplan von Leipzig umfasst 25 Seiten mit der Schwerpunktsetzung: Kulturelle Vielfalt. Der Dresdner Plan ist wesentlich umfangreicher; in seinem wichtigsten Abschnitt, dem Kapitel III, ist er in 7 Ziele und Themen gegliedert. Punkt 1 ist eine allgemeine Betrachtung mit der Überschrift „Gesellschaftswandel und Kultur in Dresden“, Punkt 2 lautet „Zeitgenössische Künste“. Im Vorwort spricht Kulturamtsleiter Manfred Wiemer von der Schwerpunktsetzung auf die „Zeitgenössische Kunst“, die eine ogische Konsequenz aus der Geschichte der Stadt“ sei. Herrn von Loeffelholz, der als Schirmherr der Steuerungsgruppe gewirkt hat, betont die Prinzipien des Sächsischen Kultursenates, die Eingang gefunden haben: „im Bereich Kunst und Kultur verdient primär öffentliche Förderung, was der Bildung dient, was kreativ und innovativ ist, was hohe künstlerische Qualität aufweist und was darüber hinaus der Wirtschaft und dem Tourismus nutzt.“
Diese Schwerpunktsetzung ist unseres Erachtens Ausdruck eines utilitaristischen Kulturverständnisses, die Kultur wird in den Dienst genommen. Aber Kultur, dass heißt eben auch „Erfahrungsräume für Menschen zu schaffen, jenseits ihrer Rolle als Konsumenten und Arbeitskräfte“ – so Wolfgang Thierse, Vorsitzender des Kulturforums der Sozialdemokratie.
Die uns wichtigen Kategorien der Kulturförderung sind seltener und weniger fett gedruckt in diesem Kulturenwicklungsplan: die Teilhabe und der Begriff der Teilhabegerechtigkeit, der nicht nutzenorientierte Begriff der ästhetischen Bildung, die Thematisierung eines Wertekonsens, die Soziokultur im weitesten Sinne. Aus einer anderen Sicht: die Berücksichtigung der Interessen älterer Menschen, der Aspekt, Dresden auch für junge Leute kulturell attraktiv zu machen. Ganz konkret: die Leseförderung. Als dies wird in dem Plan auch erwähnt, aber diese Themen haben nicht das Gewicht, das wir uns wünschen.
Wir reden von einer Wissens-, einer Bildungs-, einer Kulturgesellschaft – aber ein großer Teil, vermutlich über 50 % der Gesellschaft, nimmt daran nicht teil, es mangelt an der Teilhabegerechtigkeit. Und die Exklusion von der Kultur geht ganz häufig einher mit einer sozialen Exklusion, beide bedingen sich gegenseitig.
Wir glauben, dass auch viele Dresdnerinnen und Dresdner das Gefühl haben, dass sie nicht teilhaben an den Kulturinvestitionen, dass in Dresden die Kulturförderung fokussiert ist: auf die Hochkultur, auf exklusive Formen der zeitgenössischen Kultur und die Tourismuskultur. Und in den Hintergrund gedrängt wurde: die Kultur der Ebene, die Kultur des Alltags, die Kultur des Stadtteils.
Welchen Beitrag der Plan insgesamt für eine bessere Balance in unserer Kulturförderung leistet, ist ungewiss. Sicher dient dieser Plan bestimmten Einrichtungen der zeitgenössischen Kunst, wobei man wirklich sagen muss, dass im Sinne des Kulturentwicklungsplans dieser Begriff, über dessen Definition man lange reden könnte und über den kaum ein Einverständnis bei den Verwendenden besteht, sehr weit gefasst ist und viel mehr als Hellerau meint. Aber wie der Plan der Operette, dem Kulturpalast, der Stadtbibliothek und der Soziokultur, der freien Kulturszene dient, muss man abwarten.
Die SPD-Fraktion hat sich den Plan im Stadtrat trotz dieser Bedenken nicht abgelehnt, denn die sorgfältige Herangehensweise bei der Erstellung des Plan steht außer Zweifel und auch, dass der Plan der kulturpolitischen Diskussion dient. Aber klar ist für uns auch, dass mit diesem Plan keine Betonpfeiler für Richtungsentscheidungen in der Kulturpolitik Dresdens gegossen wurden, er ist für uns eine Grundlage im Sinne einer Diskussionsgrundlage.
Wilm Heinrich,
kulturpolitischer Sprecher
der SPD-Fraktion im Dresdner Rathaus
SPD-Fraktion im Stadtrat Dresden
Dr.-Külz-Ring 19, 01067 Dresden
Tel.: 0351/ 488 2688
Fax: 0351/ 488 2056
E-Mail: info@spd-fraktion-dresden.de
Hier können Sie den Kulturentwicklungsplan herunterladen.