Kulturpolitischer Brief aus Dresden vom 25.10.2006
Betr.: Hellerau in Zeiten der andauernden Haushaltskonsolidierung
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit diesen Zeilen beginnend, möchten wir Sie fortan jeweils aus gegebenem Anlass über unsere kulturpolitischen Positionen informieren.
In diesen Wochen stehen die Vorbereitungen für die Haushaltsbeschlüsse auf der Tagesordnung der Beratungen des Stadtrates. Ein Thema hat dabei bereits für ein erhebliches Interesse gesorgt: die zukünftige Finanzierung des Spielbetriebes in Hellerau.
Bereits am 12. September wurde im Kulturausschuss ein Konzept für die ganzjährige Bespielung von Hellerau durch das Europäische Zentrum der Künste vorgelegt; das Konzept dokumentiert die Planungen des Kulturamtes der Landeshauptstadt Dresden. Es sieht Mehrausgaben in Höhe von rund 1,9 Millionen Euro für das Europäische Zentrum der Künste vor.
Dieses Konzept und seine Finanzierung sind für die SPD in Dresden nicht akzeptabel. Wir fordern eine Abwägung der Mehrausgaben in Hellerau mit den Kürzungen bei anderen Kultureinrichtungen in Dresden. Die Haushaltskonsolidierungsbeschlüsse sind unter Druck des Regierungspräsidiums und in der Annahme fehlender Mittel entstanden und kulturpolitisch in Teilbereichen äußerst problematisch. Wenn nach Aussage von Dr. Vogel neue Spielräume bestehen, muss einiges korrigiert und über eine verbesserte Ausstattung der Einrichtungen in der Institutionellen Förderung (dazu hat im Kulturausschuss vom 24.10.2006 ein erster Meinungsaustausch stattgefunden) und der Projektförderung gesprochen werden. Für die SPD kommt es nicht in Frage, z. B. die Kürzungen bei den Bibliotheken, dem Theater Junge Generation, den Musikfestspielen und die geringen Mittel im Bereich der Institutionellen Förderung und der Projektförderung in der Dresdner Kultur hinzunehmen und gleichzeitig diskussionslos rund 2 Millionen mehr nach Hellerau fließen zu lassen. Man darf die unterschiedlichen Formen der Kultur nicht gegeneinander aufrechnen, aber auch die Relationen nicht aus dem Blick verlieren.
Außerdem fordern wir die Überarbeitung des Konzeptes für Hellerau. Die großzügige Finanzierung von Kompositionen und Theaterstücken, die dann nur drei Mal gezeigt werden, ist für uns nicht vertretbar. Rechnet man die geplante Förderung des Europäischen Zentrums der Künste mit den Zuschüssen für die Forsythe-Company zusammen, kommt man bereits auf über 5 Millionen Euro pro Jahr. Der Spielbetrieb in Hellerau wird Geld kosten; wir wollen das Projekt fördern. Aber wir brauchen ein Konzept, das sich wirklich auf die Förderung innovativer Künstler und auf ein dauerhaft präsentes Kunstgeschehen konzentriert. Das vorliegende Konzept sieht einen Gesamtzuschuss von über 3 Millionen Euro für das Europäische Zentrum bei kalkulierten 15.300 Besuchern vor, die Eigenfinanzierung würde unter 5 % betragen.
Dies können wir nicht vertreten, wenn andere Kultureinrichtungen in Dresden Veranstaltungen streichen, Mitarbeiter entlassen und Preise erhöhen müssen.
Mit freundlichem Gruß
Wilm Heinrich
Kulturpolitischer Sprecher
der SPD-Fraktion im Dresdner Stadtrat